Automatisierte Erkennung von Arten/Individuen bei ausgewählten Tierarten

Das Monitoring von Bestandsverläufen einheimischer Tierarten ist teilweise vom Gesetz vorgeschrieben – z.B. bei Arten, die im Anhang 2 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gelistet sind – und von großer wissenschaftlichen Bedeutung, um die Reaktionen von Arten auf Umweltveränderungen zu quantifizieren und so letztendlich ihr Überleben in Zeiten des Globalen Wandels zu prognostizieren. Belastbare Daten zur Verbreitung, Dynamik und Phänologie einheimischer Tierpopulationen sind daher sowohl für die Grundlagenforschung als auch für einen effektiven Naturschutz unerlässlich (z.B. Kerth et al. 2015a, b). Allerdings stößt bei vielen Arten eine quantitative Bestandserfassung schnell an methodische Grenzen, da viele Tierarten eine versteckte Lebensweise haben und effektive aber invasive Monitoring-Methoden (z.B. Fang-Wiederfangmethoden) einen zu starken Eingriff in bereits gefährdete Populationen darstellen.

Aufbau einer automatischen Lichtschranke mit angeschlossener Fotofalle in einem Fledermauswinterquartier in MV (Foto: Jens Berg)

Mittels leistungsstarken Überwachungs- und Wildtierkameras wurden in den letzten Jahren verstärkt visuelle Methoden zur automatisierten Bestandserfassung einheimischer Tierarten eingesetzt. Dies gilt insbesondere für überwiegend nachtaktive Säugetiere wie Fledermäuse, Otter oder Großraubtiere (Luchs und Wolf). Vielfach ist dabei nicht mehr die Datenaufnahme das entscheidende Problem, sondern die Auswertung (Erkennung der Arten, Unterscheidung von Individuen) der in großer Menge anfallenden digitalen Foto-Daten. Bei Fledermäusen beispielsweise werden bereits seit Jahren routinemäßig an vielen Winterquartieren in Deutschland (auch in Mecklenburg-Vorpommern) Lichtschranken mit Kamerafallen installiert, um die Bestände der überwinternden, streng geschützten Fledermausarten zu erfassen (Dietz et al. 2007). Da Fledermäuse häufig in Spalten von alten Kellern, Minen oder natürlichen Felshöhlen überwintern, führt eine direkte Zählung der Tiere im Winterquartier in der Regel zu einer massiven Unterschätzung der Bestände und ist zudem mit einer möglichen Störung der winterschlafenden Tiere verbunden. Dagegen lassen sich mit Hilfe von Kamerafallen Fledermäuse, die im Herbst in das Winterquartier einfliegen, bzw. im Frühjahr ausfliegen störungsfrei quantitativ erfassen und anhand der Fotos bis auf die Art bestimmen. Eine weitere automatisierte Überwachung von Fledermausbeständen erfolgt routinemäßig mit Fledermausdetektoren, welche die Echoortungsrufe der Fledermäuse automatisiert und kontinuierlich aufnehmen. Bei dieser Form des Monitorings fallen große Mengen an digitalen Audio-Dateien an.

Durch die Überwachung von Fledermauswinterquartieren mit Kamerafallen wurde es erstmals möglich, die Größenordnung überwinternder Fledermausbestände zu quantifizieren. Ein nicht gelöstes Problem ist hierbei, Fledermäuse automatisiert auf Artniveau zu bestimmen. Da es in Deutschland 25 Fledermausarten gibt (17 davon auch in M-V) und sich die Arten zum Teil sehr ähnlich sehen (Dietz et al. 2007), müssen solche digitalen Foto-Daten derzeit von Fachleuten noch sehr zeitaufwändig „per Hand“ ausgewertet werden. Zudem gibt es derzeit keine Möglichkeit Rufaufnahmen mit Bilddateien von in Winterquartiere einfliegenden Fledermäusen digital zu verknüpfen und gemeinsam auszuwerten und so die Genauigkeit der Artzuordnung zu erhöhen. Ein ähnliches Problem tritt bei Wildkamerabildern von seltenen Großsäugern wie Wolf, Luchs oder Otter auf. Hier ist zwar weniger die Artbestimmung das Problem, sondern die Information, ob es sich bei den aufgenommenen Tieren um mehrere oder jeweils dasselbe Individuum handelt. Bei seltenen Arten wäre eine automatisierte Individualerkennung von großem Vorteil, um Bestände genau zu erfassen, bzw. um einzelne „Problemtiere“ (etwa beim Wolf) schnell und effizient zu erkennen. Bisher ist eine Individualerkennung von Fledermäusen anhand von Fotos auch „per Hand“ nicht möglich, obwohl dies bei den Monitoring-Programmen von großer Bedeutung wäre, um Bestände verlässlich quantifizieren zu können.

Einfliegendes Braunes Langohr in ein Winterquartier in MV

Die Überwindung der genannten methodischen Grenzen ist das Ziel des Teilprojektes. An 10 ausgewählten Fledermauswinterquartieren in M-V sollen Lichtschranken mit Fotofallen installiert werden. Die so gewonnenen Bilder werden zum einen von den beteiligten Wissenschaftlern/innen per Hand (Artbestimmung) und zum anderen mit Hilfe der zu entwickelnden automatischen Erkennungssoftware ausgewertet. Durch umfangreiche Vorarbeiten steht bereits bei Projektbeginn digitales Bildmaterial zur Verfügung, welches genutzt werden kann, um Algorithmen zur Arterkennung bei Fledermäusen zu trainieren. Gleichzeitig liegen für die Winterquartiere langjährige Monitoring-Daten aus „klassischen“ Winterbegehungen vor, was eine Kalibrierung der zu testenden automatisierten Erkennungsmethoden erlaubt.

Dieses Teilprojekt hat vielfältigen Anwendungsbezug – gerade mit Bezug auf M-V – sowohl im angewandten Naturschutz (Fledermaus-Monitoring). Der wissenschaftliche Nutzen liegt in der Entwicklung einer breit anwendbaren Methode zur automatisierten Erfassung von Wildtieren. Die Herausforderung auf Seite der digitalen Bildauswertung liegt daran begründet, Algorithmen zu entwickeln, die eine automatisierte Arterkennung ermöglichen, selbst wenn die Fotos aus unterschiedlichen Winkeln und mit unterschiedlich guter Ausleuchtung gemacht wurden. Das Projekt knüpft an zwei bestehende naturschutzrelevante Projekte der AG Kerth an, die von der DBU gefördert werden und sich mit der Erfassung von Fledermausbeständen in Winterquartieren beschäftigten und umfangreiche Citizen Science-Ansätze beinhalten. Damit ist sowohl die wissenschaftliche und öffentliche Sichtbarkeit als auch die schnelle Umsetzung der erzielten Ergebnisse in der Praxis sichergestellt.


 

Das Verbundprojekt „DIG-IT!” wird durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern gefördert.